Arbeitsgemeinschaft Elternbeiräte an Gymnasien im Regierungsbezirk Stuttgart

AKTUELLES

An der Unterrichtsversorgung hat sich im Grundsatz an den Gymnasien im Land nichts verändert

Auf der letzten Mitgliederversammlung im März wurde der ARGE-Vorstand förmlich beauftragt, auf der Grundlage des Rechtsgutachtens zum Unterrichtsausfall an den Gymnasien des Landes das Gespräch mit dem Kultusministerium zu suchen, um dort die Forderungen aller ARGEn im Land  vorzubringen und zu erläutern. Ziel müsse sein, so schnell wie möglich eine nachhaltige Verbesserung der Unterrichtsversorgung an den Gymnasien zu erreichen. Es gehe um die Schüler, die aktuell in den Schulen des Landes unterrichtet würden. Veränderungen in den Studienordnungen oder -gängen sowie zusätzliche Studienplätze seien nicht geeignet, in absehbarer Zeit spürbare Veränderungen der miserablen Versorgungslage zu erreichen.

In einem zweiten Gespräch des ARGE-Vorstands im Kultusministerium wurden zwar viele mögliche Maßnahmen besprochen, jedoch seitens der Kultusbürokratie auch deutlich gemacht, dass die Forderungen der ARGE nicht in der Prioritätenliste des Ministeriums stehen würden. Unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Landtages im Doppelhaushalt 2020/21 wurden in diesem Zusammenhang 1.000 zusätzliche Lehrerstellen und eine Erhöhung der Krankheitsreserve in Aussicht gestellt. Gleichwohl wurde darauf hingewiesen, dass natürlich der Landtag letztlich über den Bildungsetat zu entscheiden habe und dass man es sehr begrüßen würde, wenn seitens der Elternvertreter der Druck auf den Gesetzgeber erhöht werde.

Kurz vor der Sommerpause hat der ARGE-Vorstand daraufhin das Gespräch mit den Landtagsfraktionen gesucht und ebenso wie im Ministerium das Gefühl vermittelt bekommen, dass die Beendigung der Lehrerunterversorgung ein vorrangiges Ziel der nächsten Zeit sein müsse. Beim Weg dahin, so war manchmal zu hören, würden auch die Forderungen der Elternvertreter berücksichtigt. In allen Gesprächen wies der ARGE-Vorstand darauf hin, dass man im November zur nächsten Mitgliederversammlung

- auf der Grundlage der erneuten ARGE-Erhebung zur Unterrichtsversorgung an den Gymnasien im neuen Schuljahr,

- den dann bekannten Zahlen für den Etat des Kultusmnisteriums und

- der Haushaltsdebatte im Landtag

entscheiden werden müsse, ob das dem Ministerium vorgelegte Rechtsgutachten in eine Klage  gegen das Land münden werde oder nicht.

Die Erkenntnisse beim Studieren des Haushaltsplanes für das Kultusministerium haben sowohl die Elternvertreter als auch den Philosophenverband mehr als ernüchtert. Insgesamt kommt an den Gymnasien von den zusätzlichen Lehrerstellen nicht viel in diesem und im nächsten Schuljahr an Eingesetzt werden zusätzliche Lehrerstellen für die  Ausweitung des Faches Ethik auf die Klassen 5 und 6 (+32), die Verlängerung des Schulversuchs G9 (+65),. die Erhöhung der Krankheitsvertretungsreserve (+32) und die Ausweitung des Faches Informatik sowie des Profilfachs IMP (+12). Im selben Zeitraum werden 50 Stellen aus dem Kontingent der Gymnasien auf die Gemeinschaftsschulen für deren gymnasiale Oberstufe übertragen. Unter dem Strich kommen an den Gymnasien in diesem Jahr zusätzliche 86 Stellen und im nächsten Schuljahr 130 Stellen an.

Damit, so der Philologenverband, werde nicht einmal der Status-Quo zu halten sein, denn allein für die neue Oberstufe würden 200 zusätzliche Stellen gebraucht. Von der Anrechnung der Funktionsstellen oder gar von  zusätzlichen Planstellen für den Abbau der Mehrbelastung bei den Schulleitungen sei überhaupt keine Rede mehr. Die veranschlagte zusätzliche Vertretungsreserve sei viel zu niedrig, um wirklich angesichts zunehmender Probleme aufgrund der Elternzeiten in den jungen Kollegien eine Entlastung zu bringen.      .  .

Diese Beurteilung der Versorgungssituation im gerade begonnenen Schuljahr werden durch die Ergebnisse der ARGE-Erhebung bestätigt.:

Offensichtlich hat sich an der Unterrichtsversorgungan den Gymnasien im Schuljahr 2019/20 nichts Wesentliches geändert.

- Der festgestellte Rückgang des nicht planmäßig stattfindenden Unterrichts ist allein dem Umstand zuzuschreiben, dass die Erhebung 2019 zu Beginn des Schuljahres bei voller Ausschöpfung der etwas erhöhten Krankheitsreserve stattgefunden hat.

- Die von der ARGE erwartete und schon im letzten Jahr prognostizierte Zunahme der Elternzeiten hat schon zu Beginn des Schuljahres für einen spürbaren Anstieg der Elternzeiten und damit des ausfallenden Unterrichts gesorgt. Die Kultuspolitik des Landes ist auf dem besten Wege, nach der Pensionierungswelle von 2012 bis 2020/21 nun die nächste Welle eines erhöhten Bedarfs neuer Lehrer zu verschlafen. Angesichts eines durchweg jüngeren Kollegiums im familienplanungsfähigen Alter sollte zwar eigentlich niemand überrascht sein, dass Elternzeiten sprunghaft ansteigen. Im Kultusministerium allerdings gibt es dafür keinerlei Reserven und - wie der Haushalt des Landes für das Ministerium ausweist, gibt es auch in den nächsten zwei Jahren dafür weder Planstellen noch Mittel. Der Philologenverband kommt zu dem Ergebnis, dass eine weitere Verschlechterung der Lehrerversorgung an den Gymnasien aufgrund der jetzt bekannten Stellenzahlen zwangsläufig die Folge sein werde..    

- Die zu Schuljahresbeginn in den Medien verbreitete Botschaft, für ausfallende Lehrer könne nun schon nach einer Woche an den Regierungspräsidien Ersatz beantragt werden, ist ein kompletter Fehlschlag: Im RP Stuttgart gibt es zum einen nicht einmal genügend Mitarbeiter für die Bearbeitung der Anträge - statt sechs waren zu Beginn des Schuljahres nur zwei besetzt - , zum anderen ist der Markt an potentiellen Vertretungslehrern leergefegt. Wer kann auch erwarten, dass ein examinierter Lehramtsbewerber nach vielen Monaten immer noch für eine kurze Anstellung im Lehrberuf zur Verfügung steht? Für eine meist nicht über acht Wochen andauernde Elternzeit für männliche Lehrer und ohne die Zusicherung einer weiteren Anstellung?

- Wenig erfreulich und in der Perspektive mittel- und langfristig verheerend ist die in den Medien bekannt gewordene Absicht des Kultusministeriums, mit den Schulleitern über ihre Vertretungskonzepte zu sprechen, wenn die Ausfallquoten erheblich vom Landes-Durchschnitt abwichen. Schon im Gespräch mit der Grünen-Kultuspolitikerin Sandra Bosert war gegenüber der ARGE die Überzeugung geäußert worden, dass es nicht zu wenige Lehrer, sondern oft  falsche Vertretungskonzepte gebe. Ein Ansicht, die jetzt durch die "Einladung zum Gespräch" von 80 Gymnasiums-Schulleitern nun auch Eingang in die Kultusbürokratie gefunden zu haben scheint. Nicht die fehlenden Lehrer sind demnach wohl für den Unterrichtsausfall verantwortlich, sondern die Unfähigkeit der Unterrichtsplaner an den Schulen.

Völlig zu Recht war in den Stellungnahmen die Empörung der Schulleiter herauszulesen, dass man ihnen nicht zutraue, eine vernünftige Unterrichtsplanung durchzuführen. Die Elternvertreter können daran die Wertschätzung gegenüber der seit Jahren notwendigen Mangelwirtschaft an den Schulen ablesen, nicht aber eine Erwartung, dass sich an der miserablen Unterrichtsversorgung im Land etwas in absehbarer Zeit ändern wird.

Sowohl im Ministerium als auch in den Gesprächen mit den Poltikern hat der ARGE-Vorstand die Maßnahmen gefordert, die in kürzester Zeit die Unterrichtsversorgung nachhaltig verbessern würde:

-       Mindestens 110-prozentige Unterrichtsversorgung für die Schulen des Landes durch zusätzliche Planstellen für das Kultusministerium, finanziell abgesichert im Landeshaushalt.

-      Ende der Entlassung von Referendaren nach dem 2. Staatsexamen. Bezahlung während der Sommerferien statt Wiedereinstellung zum ersten Schultag des neuen Schuljahres.

-      Kürzung der Lehrerdeputate um eine Stunde. Diese Stunde wird jedem Lehrer als feste verpflichtende Vertretungsstunden zugeordnet. Damit wären fachspezifische Krankheitsvertretungen an jedem Gymnasium nach Anfall möglich und nicht nach Verfügbarkeit in den RPs bei längerfristigen Ausfällen.

-   Springerverträge für jeweils ein Schuljahr (einschließlich der Ferien) für examinierte Lehrer. Entsprechende landesweite  Einteilung in örtliche Bereiche. Begünstigung für die Einstellung in den Schuldienst nach Absolvieren eines „Springerdienstes“.

 -      Einstellung von Quereinsteigern mit entsprechender beruflicher Qualifizierung und zeitlichen Kapazitäten.

 -      Erhöhung der Altersermäßigung mindestens ab dem Alter von 63 Jahren. Dadurch bleiben Lehrer länger bis zur gesetzlichen Altersgrenze im Dienst. 

Keine einzige dieser Forderungen - die im Übrigen nahezu identisch sind mit den Forderungen, die auch von den Lehrerverbänden ausgestellt wurden - ist irgendwo in der Kultuspolitik des Landes erkennbar. Für die Bildungspolitik wird auch in den nächsten zwei Haushaltsjahren das Geld nicht da sein.

Im zweiten Gespräch im Kultusministerium sagte die Kultusministerin, dass es für die Politik doch vielleicht gar nicht so schlecht sein müsse, wenn gerichtlich vorgeschrieben werde, was ein Land für Bildung aufwenden müsse. Die Mitglieder der ARGE-Stuttgart werden entscheiden müssen, ob sie diesem Wunsch der Kultusministerin entsprechen wollen und mit einer Klage gegen das Land Baden-Württemberg die Maßnahmen erzwingen, die in absehbarer Zeit die Unterrichtsversorgung im Land nachhaltig verbessern können.