Arbeitsgemeinschaft Elternbeiräte an Gymnasien im Regierungsbezirk Stuttgart

Wenig Hoffnung auf entscheidende Änderung der Lehrerversorgung im nächsten Schuljahr

Zum zweiten Mal in relativ kurzer Zeit hat sich der Vorstand der ARGE Stuttgart mit den Spitzenbeamten des Kultusministeriums und der Ministerin Dr. Susanne Eisenmann getroffen. Erneut ging es um den Unterrichtsausfall an den Gymnasien und den Forderungen der Elternvertreter, diesen spürbar und schnell zu ändern. Zwischen dem letzten Treffen im November letzten Jahres und dem Treffen am 9. Mai 2019 war allerdings einiges passiert, was die Bereitschaft im Kultusministerium zu einem wirklichen Gespräch mit den Elternvertretern wohl nachhaltig befördert hatte. So betonten die Vertreter des Ministeriums nun, dass die Verringerung des Unterrichtsausfalls höchste Priorität hat und boten weitere Gespräch über mögliche Maßnahmen an.

Der Vorstand der ARGE Stuttgart verständigte sich daher sofort im Anschluss an das Gespräch noch im Ministerium darauf, dass zumindest im Regierungsbezirk Stuttgart an den Gymnasien Ende September/Anfang Oktober 2019 eine zweite Erhebung der ARGE in den Gymnasien organisiert wird. Außerdem werden – neben der angebotenen Fortsetzung des Dialogs mit dem Ministerium - Gespräche mit den Fraktionen im Landtag angestrebt, um deren Bereitschaft auszuloten, die für eine geänderte Kultuspolitik erforderlichen Mittel bereitzustellen. Unter dem Gesichtspunkt der daraus gewonnenen Erkenntnisse und dem spätestens in den Beratungen des Haushaltes 2020/21 politisch erkennbar werdenden Willen des Landtages wird dann eine Entscheidung darüber zu treffen sein, ob es eine Veränderung der Kultuspolitik im Land über Gespräche geben kann oder ob diese doch über eine Klage erreicht werden muss. 

Notizen zum Gespräch mit der Kultusministerin am 09.05.2019

Fortschritte im Mai 2019 zum November 2018: Man hört einander zu!

Anders als noch im November 2018, war dieses Mal nach Eindruck des ARGE-Vorstandes das Bemühen erkennbar, ein wirkliches Gespräch über die Forderungen der ARGEn des Landes zu führen. Im November hatten die Kultusministerin keinerlei wirkliche Gesprächsbereitschaft signalisiert. Alle Forderungen der Elternvertreter wurden pauschal abgelehnt, ohne überhaupt im Detail darauf einzugehen. Die vertane Zeit hatte den Beschluss der ARGE Stuttgart zur Folge, nun den nächsten Schritt zu gehen und in einem Rechtsgutachten die Aussichten auf eine erfolgreiche Klage gegen das Land Baden-Württemberg zu prüfen. Dieses Rechtsgutachten wurde in der Landespressekonferenz am 15. März 2019der Öffentlichkeit vorgestellt. Noch am selben Tag erklärte das Kultusministerium seine Gesprächsbereitschaft mit der ARGE Stuttgart.

Schon die Zusammensetzung der zweiten Gesprächsrunde, u.a. mit der Ministerin, dem neuen Ministerialdirektor Michael Föll und dem Abteilungsleiter für die Bedarfsplanung und Lehrereinstellung, Holger Philipp, deuteten an, dass eine ernsthafte Debatte und – so die Hoffnung der ARGE-Vertreter – auch die Bereitschaft bestehen würde, über die Forderungen der Elternvertreter zu diskutieren. Die Kultusministerin hielt sich einige Zeit zurück und überließ ihren Verwaltungsspitzen, auf die ARGE-Forderungen differenziert einzugehen.

Diese Forderungen hatte der ARGE-Stuttgart-Vorsitzende Michael Mattig-Gerlach zu Beginn der Sitzung klar formuliert. Die ARGE wolle keineswegs unbedingt auf der Grundlage des Rechtsgutachtens klagen, behalte sich diese Möglichkeit aber für den Fall vor, dass man auch in diesem Gespräch den Eindruck gewinne, die Sorgen der Eltern an den Gymnasien und die ARGE-Forderungen nach einer Veränderung der Unterrichtsversorgung schon im nächsten Schuljahr würden nicht ernst genommen.  Entscheidend werde der Eindruck sein, den man aus den Absichten und Maßnahmen des Kultusministeriums erkennen könne, die miserable Unterrichtssituation zu ändern.

ARGE-Hauptforderung: Für jeden Pädagogen eine Deputatsstunde weniger für Vertretungen vorsehen

Als Hauptforderung strich Mattig-Gerlach eine Verringerung der Deputats-Stunden für Lehrer um eine Stunde heraus. Diese eine Stunde solle zur Erhöhung der Krankheits-reserve an den jeweiligen Schulen fach- und schulspezifisch vorgehalten werden. Dadurch stünden die Lehrer im Bedarfsfall und auch fachspezifisch mit ihrer einen „Reservestunde“ sofort für Vertretungen zur Verfügung. Der ebenfalls anwesende Vorsitzende des GEB Böblingen, Dieter Renken, verwies in diesem Zusammenhang auf das Beispiel einer ähnlichen Reduzierung der Deputats-Stunden in Bayern, wo man  den Unterrichtsausfall in kurzer Zeit entscheidend reduziert habe.

 Diese Forderung der ARGE sei für das Ministerium nicht die erste Priorität der Maßnahmen gegen den Unterrichtsausfall in Baden-Württemberg, so die Reaktion von Michael Föll. Gleichwohl – auch das ein Unterschied zum Gespräch im November – wurde diese ARGE-Forderung nicht wie gewohnt rundheraus als illusorisch oder nicht finanzierbar abgelehnt. Föll nannte stattdessen als eine geplante Maßnahme für das nächste Schuljahr die genaue Überprüfung der Vertretungskonzepte an den Gymnasien. Diese an für sich am besten mit Lehrern ausgestattete Schulform weise große Unterschiede in der Effizienz der Vertretungskonzepte auf. So erhalte jedes Gymnasium zu Beginn eines Schuljahres 22 Deputats-Stunden als Krankheitsreserve für den Pflichtunterricht, die allerdings mitunter in den AG-Bereich einfließen würden. Priorität müsse es sein, dass zunächst einmal der Pflichtunterricht ohne Ausfall realisiert werden müsse.

Spürbares Versorgungsplus frühestens im Schuljahr 2020/21 zu erwarten

Föll verwies im Verlauf des Gesprächs auf einige weitere Maßnahmen des Kultusministeriums, die aus Sicht der Elternvertreter allerdings allesamt den Nachteil haben, dass sie erst für den nächsten Landeshaushalt beantragt sind und deshalb natürlich unter dem Vorbehalt der Genehmigung des Landtages und der vorhandenen Haus-haltsmittel stehen. So soll die Krankheitsvertretungsreserve von derzeit 1.666 auf künftig 2.000 Deputate ausgebaut werden, 140 davon erhielten die Gymnasien. Allein rund 100 Millionen Euro seien beantragt zur Verbesserung der Schulleitungsstruktur. Dadurch sollen an den Schulen die administrativen Aufgaben von den Pädagogen weg und zu Verwaltungsmitarbeitern hin gebracht werden. Geplant sei auch die Rücknahme der Anrechnungsstunden bei Lehrern für außergewöhnliche Belastungen. Im Rahmen der langfristigen Planung seien bis 2030 rund 10.600 zusätzliche Lehramtsstellen für alle Schulen vorgesehen, 1.600 davon seien für das Schuljahr 2020/21 beantragt. Bei der Umsetzung der neuen Oberstufe werde man schon im nächsten Schuljahr die aus Sicht des Ministeriums ausreichenden zusätzlichen 65 Stellen bekommen, ebenso die erforderlichen Lehramtsstellen für das vom Kabinett beschlossene Fach Ethik in der fünften Klasse.

 Unter dem Strich für das nächste Schuljahr hat das Kultusministerium somit keine zusätzlichen „Ressourcen“, also mehr Lehramtsstellen, in Aussicht gestellt. Die beabsichtigte Erhöhung der Krankheitsreserve und strukturelle Änderungen sind die einzigen Punkte, die im nächsten Schuljahr für eine Verbesserung der Unterrichts-situation sorgen könnten. Dazu die Föll‘sche Zusicherung, dass die Unterrichts-versorgung im Kultusministerium die absolute Priorität bei allen Entscheidungen habe.

 Dies ist – zumindest verbal - eine erhebliche Änderung gegenüber dem Gespräch im November 2018. Damals waren die Maßnahmen eher abgezielt auf die Veränderung der Studiensituation und der von der Ministerin ausgegebenen Parole, dass in der Schulpolitik nichts schnell gehe und in absehbarer Zeit eine spürbare Veränderung nicht möglich sei. Nun ist die Aussicht auf Verbesserung im nächsten Doppelhaushalt des Landes für 2020/21 in Aussicht gestellt, gepaart mit einigen Strukturveränderungen bereits im kommenden Schuljahr.

Dr.Eisenmann: "Kann keine Lehrer einstellen, die ich nicht habe!"

Natürlich sei der Lehrermangel nicht zu leugnen, so die Ministerin selbst. Nur könne sie eben keine Lehrer einstellen, die es nicht gebe. Der Mangel an Lehrern verhindere selbst die Besetzung vorhandener Stellen. Die Unlust mancher Lehrer, regional unattraktive Stellen zu akzeptieren, trage selbst in Fächern mit Überangebot an Bewerbern zur mangelhaften Versorgung bei. Unmittelbare Reaktion der Elternvertreter auf dieses Argument: Auch „Staatsdiener“/Beamte könnten versetzt werden, wenn dies für die Behebung eines Notstandes erforderlich sei.

 Der weitere Hinweis der Elternvertreter auf die  von den Gewerkschaften dokumentierten 2.000 nicht-eingestellten Lehramtskandidaten zu Beginn eines jeden Schuljahres blieb ebenso unbeantwortet im Raum stehen wie der Hinweis, man könne natürlich Mitte eines Schuljahres kaum damit rechnen, dass die zum Schuljahresbeginn nicht-eingestellten Lehrer auf eine befristete Krankheits- oder Schwangerschaftsvertretung warteten. Natürlich müsse man ohne Anstellung andere Wege des Einkommens suchen und stehe dann eben nicht wartend für den Anruf vom Regierungspräsidium bereit.

 Hier wie beim Beispiel des baden-württembergischen Vorgehens bei der Einstellung von Quereinsteigern müsse die Kultuspolitik kreativer in den Möglichkeiten und flexibler in den Vorgehensweisen werden. Mattig-Gerlach wörtlich: „Wie es nicht geht, wissen wir alle. Wir erwarten von der Kultuspolitik, dass sie sagt, wie es geht!“ Es falle den Eltern schwer, sich der Ansicht anzuschließen, an der Unterrichtsqualität nicht rütteln zu wollen. Über die Qualität eines Unterrichts, der gar nicht stattfinde, lasse sich ja schwerlich streiten. Die sei eben gar nicht vorhanden.

Nach gut zwei Stunden – rund vierzig Minuten davon in Anwesenheit der Kultus-ministerin - endete das Treffen im Ministerium mit der erklärten Bereitschaft zu einem erneuten Treffen und der Fortsetzung des Gesprächs über die Forderungen der Elternvertreter über die Möglichkeiten einer nachhaltigen und baldigen Verbesserung der Unterrichtsversorgung. Dann wird die Diskussion allerdings in zweierlei Hinsicht auf einer anderen Basis geführt werden müssen: Zum einen wird dann bekannt sein, wie viele der beantragten Maßnahmen im Schuljahr 2020/21 Realität werden. Zum anderen wird dann die Entwicklung der Unterrichtssituation und Lehrerversorgung im neuen Schuljahr bekannt sein.

Notizen zum Gespräch mit der Kultusministerin am 09.05.2019