Arbeitsgemeinschaft Elternbeiräte an Gymnasien im Regierungsbezirk Stuttgart

AKTUELLES

An der Luftfilter-Frage scheiden sich die Geister. Leider!

Erst waren es die inzwischen teilweise revidierten Empfehlungen des Bundesumweltamtes und nun, seit ihrer Veröffentlichung, die Empfehlungen der Stuttgarter Studie: Der generelle Einsatz von mobilen Luftfiltern hilft viel zu wenig, um die Mittel für den Kauf der Geräte zu rechtfertigen. Entsprechend, so die Beschlussvorlage der Stuttgarter Schulbürgermeisterin Fezer im Schulbeirat der Stadt, werde man den Einsatz nur in schwer zu lüftenden Klassenzimmern planen. In dieselbe Richtung sprach sich auch der Städtetag Baden-Württembergs aus. Dagegen will Hamburgs Kultursenator mobile Lüftungsgeräte für alle Klassenzimmer in den Sommerferien beschaffen und zum Beginn des neuen Schuljahres auch einsetzen.

Es geht kaum widersprüchlicher, was derzeit zum Thema Luftfilter in Baden-Württemberg zu hören und zu lesen ist. Die neueste Variante: Die Kultusministerin Theresa Schopper setzt zugunsten der Priorität Präsenzunterricht auf den Einsatz von mobilen Luftfiltergeräten in allen Klassenzimmern und will nun die Mindestanforderungen bei der Anschaffung der Geräte herausgeben. So lautete die Information an den Vorsitzenden des Landeselternbeirats in einer Videokonferenz am 20.Juli. Den Städtetag und Stuttgarts Schulbürgermeisterin wird das nicht beeindrucken, denn die Schulträger müssen ja - ungeachtet aller Zuschüsse von Bund und Land - die Geräte anschaffen.

Diese "Gefechtslage" erklärt womöglich die aktuelle Wende im Kultusmnisterium, denn schon bei anderen Finanzmitteln - etwa den Digitalpakt-Milliarden - war das Abfließen der Mittel ja sehr lange Zeit sehr überschaubar - und bis heute nicht abgeschlossen. Würden die Schulträger tatsächlich dem wunsch des Kultusministeriums folgen, wäre der vorgesehene Zuschuss-Topf ganz schnell leer.

Um im Glaubenskampf der Wirksamkeit von mobilen Luftfiltern entscheiden zu können, ist ein Blick in die Stuttgarter Studie extrem hilfreich. Das Erstaunlichste dabei: Die Studie entspricht absolut nicht den von der Auftraggeberin, Frau Fezer, und dem Hauptautor gezogenen Schlussfolgerungen.

Zitate aus der Stuttgarter Studie: Seite 3: "Der Einsatz von Luftreinigungsgeräten in Kombination mit einer Fensterlüftung wirkt sich positiv auf das Infektionsgeschehen aus." "Luftreinigungsgeräte können das Senken der Aerosolkonzentration bei schlecht belüftbaren Räumen unterstützen bzw. verbessern. Meist sind sie dabei wirksamer als die Stoßlüftung." Und weiter:" Eine Reduzierung der Personenanzahl in einem Klassenraum ermöglicht selbst bei gleichbleibender mittlerer Infektionswahrscheinlichkeit einen nahezu proportional verringerten Erwartungswert an Neuinfektionen. Der Einsatz von FFP2-Masken im Unterricht reduziert deutlich das Infektionsrisiko und ist eine sehr wirksame Maßnahme zum präventiven Schutz.

Seite 4: "Im Falle der Querlüftung sind diese an zwei gegenüberliegenden Seiten eines Raumes angeordnet. Bei einseitiger Fensterlüftung befinden sich die Fenster an nur einer Außenwandseite." Seite 6: "Die freie Lüftung ist somit abhängig von vielen Randbedingungen. Bei bestimmten Randbedingungen kann der erforderliche Außenluftwechsel ggf. nicht sichergestellt werden. Nur durch den Einsatz einer maschinellen Lüftung kann jederzeit ein definierter Volumenstrom bzw. Luftwechsel sichergestellt werden [12, 13]" Seite 47: "Beim Betrieb eines Luftreinigungsgerätes im Klassenraum kann generell aufgezeigt werden, dass nach einer gewissen Zeit eine örtlich homogene Partikelverteilung im Raum vorliegt. Dieses Phänomen ist auf ein wirksames Umwälzen der Sekundärluft und eine vereinzelt hohe Eindringtiefe des gefilterten Luftstroms zurückzuführen."

Ein Schaubild auf Seite 54 der Studie wird kommentiert: "Die geringste Infektionswahrscheinlichkeit von ca. 6% wird durch das Luftreinigungsgerät bei großen Volumenströmen erreicht. Hierbei werden jedoch die Behaglichkeitskriterien bezüglich Akustik und Zugluftrisiko überwiegend nicht eingehalten. Es erfolgt zudem kein CO2- und Feuchteabtransport." S. 55: "Der Mittelwert der Stoßlüftungsvarianten V1 liegt bei 17,5% und V2 bei 15%. [...] Ohne Berücksichtigung dieser zwei Werte [Ausreißer-Werte] liegt der Mittelwert bei ca. 15% (V1) bzw. 12,5% (V2)."

"In der Studie erzielten die Luftreinigungsgeräte beim Betrieb mit den höchsten Volumenströmen auch die niedrigsten Aerosolkonzentrationen. Wie bereits erläutert sind dabei die Luftreinigungsgeräte zu laut [nach VDI 2081] und die Luftgeschwindigkeiten und Turbulenzgrade der Raumluftströmung sind nicht behaglich. Es liegt nahe, dass diese Betriebsweise von SchülerInnen und LehrerInnen für den normalen Unterricht nicht akzeptiert werden." "Um die Infektionswahrscheinlichkeit durch das Stoßlüften weiter zu senken, sollte eine Vergrößerung der maximal möglichen Fensteröffnungsfläche angestrebt werden." Anmerkung der ARGE Stuttgart: Wie soll man sich das vorstellen? Etwa durch großflächiges Einreißen der Außenmauern in Klassenzimmern???

In der Stuttgarter Studie wird auch zu dem Problem der Laustärke und des Luftzugs Stellung bezogen: DIe Grundlage für die Stellungnahme liefert eine Nachbefragung bei SchülerInnen und Lehrkräften, deren Ergebnisse ebenfalls eindeutige Erkenntnisse liefert:

Seite 72f.: "Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Luftreinigungsgeräte von SchülerInnen und LehrerInnen weitestgehend akzeptiert werden. Die Akustik wurde als weniger kritisch beurteilt, als nach VDI 2081 angenommen. Vor allem bei erhöhtem Volumenstrom (LS 1) kommt es vereinzelt zu ersten Komforteinbußen. Bereits 13% stimmen einer überhöhten Lautstärke eher bis voll zu, wohingegen dieser Wert bei LS 2 bei 6 % liegt." Seite 73: "Hinsichtlich der Zuglufterscheinung wurden die Luftreinigungsgeräte als eher unbedenklich eingestuft. Bei Leistungsstufe 1 sind es 9% der TeilnehmerInnen, welche einer Zuglufterscheinung eher bis voll zustimmen. 7% der Stimmen sind es bei Leistungsstufe 2."

Und schließlich wird auf Seite 77 auch die bisher als Königslösung und Corona-Schreck propagierte "Lüften! Lüften!" -Maßnahme der Schulen infrage gestellt: "Der Außenluftwechsel infolge der Fensterlüftung ist stark abhängig von den meteorologischen Randbedingungen und dem NutzerInnenverhalten." "Der Einsatz von Luftreinigungsgeräten in Kombination mit einer Fensterlüftung wirkt sich positiv auf das Infektionsgeschehen aus. [...] Luftreinigungsgeräte können das Senken der Aerosolkonzentration bei schlecht belüftbaren Räumen unterstützen bzw. verbessern. Meist sind sie dabei wirksamer als die Stoßlüftung."

Alle Elternvertretungen im Land, angefangen vom Landeselternbeirat über die ARGEn bis hin zu den Gesamtelternbeiräten (GEBs) beispielsweise in Stuttgart, konnten die Schlussfolgerungen der Stuttgarter Schulbürgermeisterin und des Städtetags aus der Stuttgarter Studie nicht nachvollziehen. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn den Elternvertretungen geht es darum, mögliche Schulschließungen im Herbst aufgrund unsicherer Klassenzimmer auf jeden Fall zu verhindern. Sie müssen dafür aber nichts bezahlen, ganz im Gegensatz zu den Schulträgern, die den sofortigen Ankauf der Luftreinigungsgeräte im laufenden Haushalt unterbringen müßten. Dafür müßte eben auf anderes verzichtet werden, was man vielleicht gerade den Wahlbürgern versprochen hatte. Da verlegt man sich doch lieber auf wirkungsärmere aber zehnfach kostenintensivere Raumluftanlagen, die für den Haushalt den entscheidenden Vorteil haben, dass sie erst im Zuge einer Schulsanierung eingebaut werden müßten. Und - man weiß es ja seit Jahren: Bis zur Schulsanierung kann es dauern. Jahre lang....

Die ARGE Stuttgart vermailt auf Anfrage beim Vorstand gerne jedem unserer Mitglieder die gesamte Stuttgarter Studie, um sich selbst ein Bild darüber machen zu können, wie sich die Ergebnisse der Studie von den Empfehlungen der Kommunen unterscheidet. Und hier können sich alle gegen die Fehlinterpretation aussprechen, die das genauso sehen wie unzählige Fachleute, Eltern, SchülerInnen, Lehrkräfte und Schulleitungen, die Leidtragende einer nicht nachvollziehbaren Entscheidung gegen die Sicherheit für unsere Kinder sind: https://openpetition.de/!hbdbj