Arbeitsgemeinschaft Elternbeiräte an Gymnasien im Regierungsbezirk Stuttgart

Bundesweites Echo auf die ARGE-Initiative zum Unterrichtsausfall

Von ungläubigem Staunen bis hin zu "Jetzt endlich weiß man, wie es wirklich an den Schulen aussieht!" - das Medienecho nach der Landespressekonferenz könnte nicht deutlicher für die Schulbehörden des Landes ausfallen. Übereinsstimmend  gehen die Medien davon aus, dass es schon schlimm genug ist, dass die Elternvertreter eine derartige Erhebung anstelle der Schulbehörden habe durchführen müssen. Nun aber seien die Ergebnisse "belastbar" und überdeutlich: Baden-Württemberg leiste sich ein Schulsystem, das aufgrund der Unterrichtsausfälle eher sieben als acht Jahre im Gymnasium bedeute. 

In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung bekommt Baden-Württemberg eine miserable Benotung für seine Unterrichtssituation:

"Der Schulverwaltung im Südwesten fehlen Daten über den Unterrichtsausfall, also werden Eltern aktiv und erheben sie selbst / Von Rüdiger Soldt

STUTTGART, 3. Juli. Den Personalcomputer gibt es seit Beginn der achtziger Jahre, seit Anfang der neunziger Jahre stehen PCs in den meisten Haushalten. Dem baden-württembergischen

Kultusministerium sowie der Schulverwaltung ist es in den vergangenen vierzig Jahren aber nicht gelungen, sich mit moderner IT-Technik einen zuverlässigen Überblick über die Unterrichtsversorgung

und vor allem den Unterrichtsausfall zu verschaffen. Mehrere Ministerpräsidenten haben das schon wortreich beklagt - der Fortschritt ist eine Schnecke. Die Chefs und Planer im Kultusministerium

müssen sich bis heute auf Stichproben verlassen, einen landesweiten Überblick über den Unterrichtsausfall an den 4500 öffentlichen Schulen können sie bis heute nicht innerhalb weniger Sekunden "schulscharf" per Software abrufen. Vom Schuljahr 2018/2019 an soll es im Internet wenigstens den "Vertretungspool Online" geben. Viele Eltern ärgert das, sie klagen seit Jahren über den aus ihrer Sicht zu häufigen Unterrichtsausfall. Und sie zweifeln auch an den offiziellen Zahlen der Schulverwaltung. Deshalb beschloss eine Mitgliederversammlung der "Arbeitsgemeinschaft Elternbeiräte an Gymnasien im Regierungsbezirk Stuttgart" (ARGE) im vergangenen Herbst, die Daten einfach selbst zu erheben. Das Ergebnis ist niederschmetternd: Im Regierungspräsidium Stuttgart, wo mehr Menschen leben als im Saarland, fallen bei Gymnasiasten 13,49 Prozent des Unterrichts aus. "Selbst wenn man großzügig nur einen Unterrichtsausfall von zehn Prozent annimmt, bedeutet das doch, dass wir eigentlich nur ein G7 haben. Die Politiker sollten aufhören, über das achtjährige oder neunjährige Gymnasium zu streiten", sagt Michael Mattig-Gerlach, der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft. Die Elterninitiative schrieb 151 Gymnasien im Regierungsbezirk an, 38 Erhebungsbögen kamen zurück. In den ersten neun Wochen des Jahres 2018 fanden an diesen Schulen 7,81 Prozent des Unterrichts überhaupt nicht statt, 5,68 Prozent des Unterrichts wurden in Form von Vertretungsstunden erteilt. Weitere 3,32 Prozent der regulären Schulstunden fielen wegen Studienfahrten und wegen Fortbildungen aus. Regulär müssten die Schüler eigentlich 1320 Stunden Unterricht pro Schuljahr absolvieren, faktisch seien es nur 1149 Stunden. Die offiziell verbreiteten Ausfallquoten sind auch nicht richtig gut, aber nicht derart desaströs: Danach fielen an Gymnasien 5,4 Prozent aller Unterrichtsstunden aus, an den anderen Schularten 3,6 Prozent.

Die Elterninitiative zählt - anders als die Schulverwaltung - Vertretungsstunden nicht zum regulären Unterricht hinzu. Nach Aussage von Michael Mattig-Gerlach wollte das Regierungspräsidium die Umfrage der Initiative sogar verhindern. "Erst als wir damit gedroht haben, eine Klage einzureichen, wurde es erlaubt", sagt er. Die baden-württembergische Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) hält das Informationsbedürfni der Eltern "absolut für nachvollziehbar". "Wir brauchen eine deutlich verlässlichere Datenbasis, um besser reagieren zu können", sagt die Ministerin. Die CDU-Politikerin kritisiert aber, dass die Eltern auch Vertretungsstunden als Ausfall deklarieren. Das bedeute, dass man den Lehrkräften jegliches Recht abspreche, krank zu sein. "Das ist nicht nur unfair gegenüber den Lehrkräften, sondern auch fernab der Realität." Auch die Forderung, zehn Prozent mehr Lehrer einzustellen und so eine 110-prozentige Lehrerversorgung zu erreichen, sei angesichts des Lehrermangels "wenig  realistisch".

In diesem Jahr soll es nun erstmals in der Geschichte des Landes eine Vollerhebung über die Unterrichtsversorgung geben. "Wir erheben Krankheit, pädagogische Tage und Fortbildungen an allen öffentlichen Schulen. Allerdings fragen wir nicht die Schulen, sondern nur die Schulämter", sagte ein Sprecherin des Ministeriums. Die Ergebnisse sollen vor der Sommerpause vorliegen. Hauptursache für den Unterrichtsausfall sei der Lehrermangel, besonders groß sei er nicht an den Gymnasien, sondern an den Grund- und Sonderschulen.  wJe dünner die Personaldecke eines Kollegiums sei, desto häufiger müssten die Schüler nach Hause geschickt werden. "Es heißt immer", sagte Michael Mattig-Gerlach, "man muss den Lehrerberuf attraktiver machen und mehr für die MINT-Fächer tun. Doch geändert hat sich nichts. Und weil es am Lehrermangel liegt, wird sich auch in den nächsten zehn Jahren nichts ändern." Die Ministerin verspricht jedenfalls, bei den Mangelfächern an den Gymnasien "zusätzliche Wege zur Gewinnung von Fachlehrkräften" zu prüfen und zu ermöglichen."

Frankfurter Allgemeine Zeitung

Rüdiger Soldt – Korrespondent für Baden-Württemberg

Die Pressemeldungen zum Nachlesen - -sehen oder -hören:

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Die Printnachricht des SWR

Rhein-Neckar-Zeitung

Die Schwäbische Tageszeitung

Die Ludwigsburger Kreiszeitung

Der Südkurier

Die Stuttgarter Nachrichten

Die Schwäbische Post

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Stimmt - webreporter

Südwestpresse

Badische Zeitung

Zur Entlassung von Lehrkräften zu den Sommerferien die Heilbronner Stimme