ARGE Stuttgart bereitet Klage gegen das Kultusministerium vor
Zu Beginn des Schuljahres verkündete die Kultusministerin des Landes Baden-Württemberg wieder einmal, dass alles getan werde, um die Unterrichtssituation an den Schulen des Landes zu verbessern. Das "Maßnahmepaket" des Kultusministeriums zeige Wirkung. Weder der Philologenverband des Landes noch die Eltern haben allerdings von dieser Wirkung etwas bemerkt. Im Gegenteil: Die Situation mit der Unterversorgung mit Lehrern vor allem an denr Gymnasien hat sich eher verschlechtert als verbessert. Bereits wenige Wochen nach Unterrichtsbeginn ist die Krankheitsreserve komplett aufgebraucht.
Auf besonders heftige Kritik stieß vor allem auch die Maßnahme des Ministeriums, 187 Gymnasiallehrer, die es aus Noten- oder Fächerwahl-Gründen jetzt nicht in den Schuldienst geschafft haben, nun nach einer einjährigen "Umschulung" zum Grundschullehrer und dreijährigem Dienst an Grundschulen prüfungsfrei und garantiert in den Dienst im Gymnasium übernehmen zu wollen - ungeachtet der Versorgungslage in vier Jahren besonders hinsichtlich der Mangelfächer. Über so viel Dilettantismus in der Kultusbürokratie schlagen sich inzwischen einheitlich Lehrerverbände, Schulleitungen und Eltern die Hände über dem Kopf zusammen.
Auf der Landespresskonferenz in Stuttgart richteten die Vertreter der ARGE Suittgart und Karlsruhe heftige Angriffe in Richtung Landesregierung: Es sei nicht nachvollziehbar, dass ein Ministerpräsident Baden-Württembergs es zulasse, dass im selben Jahr, in dem eine Milliarde an Steuereinnahmen zur Schuldentilgung verwendet würden, das Schulsystem in dem maroden Zustand belassen werde, wie es sich seit Jahren biete. Seit diesem Jahr sei dieser Zustand durch die ARGE-Stuttgart und auch durch die Vollerhebung des Kultusministeriums im Juni in seinem ganzen desaströsen Ausmaß bestätigt. Immerhin sei der Ministerpräsident Baden-Württembergs selbst Lehrer gewesen. Was ihn antreibe, seiner Finanzministerin keine Weisung zu erteilen, mehr Planstellen zu schaffen oder mehr Geld zur Verfügung zu stellen, um umgehende Veränderungen an den Schulen einzuleiten, dies sei das große Geheimnis des Ministerpräsidenten, das er im Zuge des kommenden Wahlkampfes den Eltern sicher genau erklären müsse.
Alle ARGEn im Land - Stuttgart, Tübingen, Freiburg und Karlsruhe - mithin die Elternvertretungen von über 400 Gymnasien seien sich in ihren Forderungen an die Landesregierung einig:
- Erreicht werden müsse sofort eine mindestens 110-prozentige Unterrichtsversorgung für die Schulen im Land durch zusätzliche Planstellen für das Kultusministerium, finanziell abgesichert durch den Landeshaushalt.
- Springerverträge, abgeschlossen auf mindestens ein Jahr und lokal bezogen für examinierte Lehre,r müßten sicherstellen, dass im Krankheitsfall der Fachunterricht umgehend fortgesetzt werden könne.
- Examinierte Lehrer ohne Anstellung sollten die Möglichkeit bekommen, eine zusätzliche Fakultas, das heißt Unterrichtsberechtigung, für den benötigten Fachunterricht in Mangelfächern für die Unterstufe zu bekommen. Die Schulen hätten dadurch die Möglichkeit, die "normalen" Fachlehrer in der Mittel- und Oberstufe einzusetzen. Der Unterrichtsausfall in den naturwissenschaftlichen Mangelfächern könnte damit minimiert werden.
- Die Einführung des Abiturs nach eigenem Takt, also einem G9-Gymnasium mit der Möglichkeit für alle Schüler, nach eigenem Ermessen in der Unter- und Mittelstufe ein Schuljahr zu "überholen", würde sofort und für die nächsten sechs Jahre durch die Umschichtung der Stunden-Deputate für Schüler und Lehrer das Versorgungsproblem an den Gymnasien das Landes lösen.
- Als Sofortmaßnahme angesichts der miserablen Versorgungssituation mit Lehrern fordern die Elternvertreter, zumindest zeitweise Quereinsteiger aus anderen Berufen in den Gymnasien zu beschäftigen. Außerdem könnten Abschlussemester an den Universitäten befristet und übergangsweise Unterricht geben und auf diese Weise nicht nur den Schulalltag kennenlernen, sondern darüber hinaus eben auch Notsituationen bei Ausfall von Lehrern beheben helfen. Auch da würde sich der Einsatz vor allem in unteren KLassenstufen anbieten, um den Ausfall in der Mittel- und Oberstufe zu minimieren.
Die Elternvertreter haben in Stuttgart auf der Landespressekonferenz diese Forderungen erneut - wie schon im unbeantwortet gebliebenen offenen Brief an das Kultusministerium vom Juli - den Pressevertretern mitgeteilt. Allerdings sei nun durch die Ignoranz des Kutusministeriums eine neue Situation entstanden, auf die man seitens der Elternvertreter eingehen will: Die ARGE Stuttgart bereitet eine Klage auf Bewahrung der Chancengleichheit für die Gymnasiasten des Landes gegenüber den Gymnasiasten in anderen Bundesländern vor. Das Land soll die notwendigen Maßnahmen in der Unterrichtsversorgung ergreifen, damit die Abiturienten aus Baden-Württemberg nicht gegenüber den Abiturienten anderer Bundesländer benachteiligt werden. Der Leistungsvergleich mit anderen Bundesländern lasse in der Leistungsfähigkeit die Schüler aus Baden-Württemberg noch bestenfalls im Mittelfeld rangieren. Früher belegten sie Platz zwei oder drei. Dieser Leistungsabfall - so die Elternvertreter - sei nicht das Ergebnis einer Verdummung der Kinder aus Baden-Württemberg, sondern die Folge einer Schulpolitik, die aus G8 faktisch G7 gemacht habe. In der Realität müßten die Abiturienten in Baden-Württemberg im Laufe ihrer Schulkarriere auf ein ganze Schuljahr an Lernzeit verzichten.
Aus der Schulpflicht des Schulgesetzes leiten die Elternvertreter ein Schulrecht der Schülerinnen und Schüler ab. Wenn sich die katastrophale Unterrichtssituation nicht umgehend ändere, werde man dieses Schulrecht versuchen mit Hilfe eines Einzelfalles vor Gericht durchzusetzen. Dieser Fall, so hieß es auf der Landespressekonferenz, sei bereits gefunden, ein Schüler, der genau den Unterrichtsausfall im letzten Jahr protokolliert habe und dabei auf einen Ausfall vor allem auch in den Kernfächern von 16 Prozent gekommen sei. Nach Überprüfung der Klagevoraussetzungen durch den Rechtsanwald der ARGE Stuttgart werde man die Klage einreichen, sofern bis dahin die Landesregierung nicht zu erkennen gegben habe, dass sie die Unterrichtssituation sofort und nachhaltiig zu ändenr beabsichtige.
Erneut baten die Elternvertreter das Kultusministerium um Gespräche, um Forderungen und Möglichkeiten miteinander abzugleichen. Es sei ein bislang enmaliger Vorgang, dass es sich die Kultusministerin eines Landes herausnehme, den Wunsch der Elternvertreter von über 400 Gymnasien nach einem Gespräch zu ignorieren. Wenn sich daran nichts ändere, werde man eben auf eine KLage nicht verzichten können und dann eben das Kultusministerium vor Gericht zu Aussagen zwingen. .
Nachfolgend die Übersicht der Berichterstattung in den Medien zur Landespressekonferenz und zur Absicht der ARGE Stuttgart, das Land notfalls zu verklagen:
- Verheerende Situation durch Unterrichtsausfall
- Immer mehr Unterricht fällt aus
- Eltern auf Konfrontationskurs
- Klage gegen Unterrichtsausfall
- Ministerin will Unterrichtsausfall an Gymnasien überprüfen