Arbeitsgemeinschaft Elternbeiräte an Gymnasien im Regierungsbezirk Stuttgart

Nach der Landes-Pressekonferenz: Kultusministerium gibt sich gesprächsbereit

(Das Rechtsgutachten im Wortlaut zum Nachlesen)

Die Landespressekonferenz war gut besucht: Neben der paralell vor dem Rathaus stattfindenden Schüler-Demonstration "Fridays for Future" hatten die Medienvertreter auch ein schulpolitisches Thema auf der Tagesordnung: Die ARGE Stuttgart - mit Rückendeckung der anderen ARGEN im Land - hatte nach dem ergebnislos verlaufenen Gespräch mit der Kultusministerin im November letzten Jahres ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, das die Möglichkeit einer Klage gegen das Land überprüfen sollte, Das Rechtsanwaltsbüro Würtenberger hatte dieses Gutachten nun fertig gestellt und war zu einem eindeutigen Ergebnis gekommen: "Der (…) erhebliche Unterrichtsausfall verstößt (…) gegen die verfassungsrechtliche Garantie eines hinreichenden und im Umfang für alle Schüler im Wesentlichen gleichen Unterrichts.“ Verstoßen wird gegen den im Artikel 3, Absatz 1 des Grundgesetzes geregelten allgemeinen Gleichheitssatz und gegen das in Artikel 2, Absatz 1 des GG garantiertem Recht auf gleiche Chance zur Persönlichkeitsentwicklung im öffentlichen Bildungs- und Schulwesen.Wenn das Land Baden-Württemberg öffentliche Erziehungs- oder Ausbildungseinrichtungen und (…) bildungsrelevante Transferleistungen zur Verfügung stelle und rechtlich regele, so ergebe sich nach  Artikel. 11 Abs. 1 der Landesverfassung ein subjektiv-öffentliches Teilhaberecht an diesen Leistungen. Insoweit ist Art. 11 Abs. 1 Landesverfassung BW ein Grundrecht mit Klagemöglichkeit.

Auch hinsichtlich der quantitativen Zumutbarkeit des Unterrichtsausfalls kommt das Gutachten zu einer klaren Aussage: „Legt man diesen Maßstab an, so ergibt sich für den noch zumutbaren, gegen das Recht auf Chancengleichheit nicht verstoßenden Unterricht: 

- In den letzten drei Schuljahren vor dem Abitur dürfen an den Gymnasien in Baden-Württemberg nicht mehr als 8 % an Unterricht durch einen qualifizierten Lehrer ausfallen.

 - Wer eine noch höhere Obergrenze für zumutbar hält, zweifelt daran, dass das Erreichen der Bildungs- und Unterrichtsziele jenes Stundenumfangs bedarf, der in den Bildungsplänen vorgesehen ist.(…)

- In den einzelnen Abiturfächern dürfen an einem Gymnasium daher nur maximal 8 % des Unterrichts ausfallen. Denn bei einer höheren Quote an Unterrichtsausfall steht zu befürchten, dass die Chancengleichheit bei der Erreichung der Unterrichtsziele verletzt wird, was seinerseits zu erheblichen Beeinträchtigungen des künftigen Berufs- und Lebensweges führen kann, etwa keiner Zulassung zum Studium eigener Wahl... Ab einem Unterrichtsausfall in den letzten drei Schuljahren vor dem Abitur von mehr als 8 % an Unterricht durch einen qualifizierten Lehrer bzw. ab einem Unterrichtsaufall in einzelnen Abiturfächern von mehr als 8 % des Unterrichts ist regelmäßig zu befürchten, dass die Chancengleichheit bei der Erreichung der Unterrichtsziele verletzt wird. Dies kann zu erheblichen Beeinträchtigungen des künftigen Berufs- und Lebensweges führen. In solchen Fällen ist jedenfalls der subjektiv-rechtliche Anspruch auf gleiche Erteilung von Unterricht verletzt. Ein insofern betroffener Schüler könnte diesen Anspruch – gegebenenfalls auch gerichtlich – geltend machen.“

Das Rechtsgutachten kommt überdies zu dem Schluss, dass die Kultuspolitik in den letzten Jahren das Problem des Unterrichtsausfalls unterschätzt habe und - wenn überhaupt - viel zu wenige Maßnahmen zur Vermeidung oder zum Abbau des Ausfalls getroffen habe. Die erkennbaren Maßnahmen zielten bisher auf eine langfristige Änderung der Situation in sechs bis acht Jahren ab, wenn die Studierenden der zusätzlichen Hochschul- und Universitätsplätze in der Schulwirklichkeit ankommen würden.

Auf der Landespressekonferenz sprach auch der Vater eines vom Unterrichtsausfall betroffenen Schülers aus dem Raum Freiburg, der gegebenenfalls bereit wäre, eine dem Rechtsgutachten zufolge möglichen Klage gegen das Land einrzureichen. Er habe sich an die ARGE Stuttgart gewandt, nachdem die Zahl der ausfellenden Unterichtsstunden über Jahre hinweg eher zu- als abgenommen hätten. Er habe als Vater schlicht Angst um die Zukunft seiner Kinder.Vor einder möglichen Klage, so die klare Botschaft der ARGE Stuttgart, müsse das Gespräch mit dem Kultusministerium gesucht werden. Das Rechtsgutachten wurde noch am Freitag an das Ministerium geschickt. (Sie website-Artikel: Kultusministerium zum Gespräch mit der ARGE bereit)

Die ARGE Stuttgart legte in der Landespressekonferenz auch eine Liste für Maßnahmen vor, die bereits im nächsten Schuljahr eine spürbare Verbesserung der Unterrichtssituation an den Schulen des Landes nach sich ziehen könnten:

-       Mindestens 110-prozentige Unterrichtsversorgung für die Schulen des Landes durch zusätzliche Planstellen für das Kultusministerium, finanziell abgesichert im Landeshaushalt.

-      Ende der Entlassung von Referendaren nach dem 2. Staatsexamen. Bezahlung während der Sommerferien statt Wiedereinstellung zum ersten Schultag des neuen Schuljahres.

-      Kürzung der Lehrerdeputate um eine Stunde. Diese Stunde wird jedem Lehrer als feste verpflichtende Vertretungsstunden zugeordnet. Damit wären fachspezifische Krankheitsvertretungen an jedem Gymnasium nach Anfall möglich und nicht nach Verfügbarkeit in den RPs bei längerfristigen Ausfällen.

-   Springerverträge für jeweils ein Schuljahr (einschließlich der Ferien) für examinierte Lehrer. Entsprechende landesweite  Einteilung in örtliche Bereiche. Begünstigung für die Einstellung in den Schuldienst nach Absolvieren eines „Springerdienstes“.

 -      Einstellung von Quereinsteigern mit entsprechender beruflicher Qualifizierung und zeitlichen Kapazitäten.

 -      Erhöhung der Altersermäßigung mindestens ab dem Alter von 63 Jahren. Dadurch bleiben Lehrer länger bis zur gesetzlichen Altersgrenze im Dienst.  

  Das Presseecho auf die Landespressekonferenz:

https://bnn.de/nachrichten/suedwestecho/elternvertreter-drohen-mit-klage-wegen-unterrichtsausfaellen

https://www.rnz.de/politik/suedwest_artikel,-die-situation-ist-eine-katastrophe-eltern-wollen-wegen-unterrichtsausfaellen-klagen-_arid,427147.html

https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.unterrichtsausfall-eltern-behalten-sich-klage-vor.29f6f947-80ab-4c89-92ff-700abcbb17e2.html

https://www.badisches-tagblatt.de/aus_der_region/LINK00_20190315120600_137156490-Unterrichtsausfall-Klage-moeglich.html

https://www.schwaebische.de/sueden/baden-wuerttemberg_artikel,-elternvertreter-sehen-unzumutbaren-unterrichtsausfall-_arid,11022887.html

https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.klage-gegen-unterrichtsausfall-der-frust-mit-den-fehlstunden.34d33d06-8e69-4fd4-9f99-d84b61e71265.html?reduced=true

https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.lehrermangel-in-baden-wuerttemberg-klage-gegen-unterrichtsausfall-moeglich.225552c4-0c0c-41a0-b471-d0e059377948.html

https://www.t-online.de/nachrichten/id_85410062/elternvertreter-sehen-unzumutbaren-unterrichtsausfall.html